Was machen Vögel im Winter?
Wenn der Winter kommt, stehen Vögel vor großen Herausforderungen. Schnee und Kälte, Vegetationspause und stark reduzierte Insektenaktivität, aber auch die kurzen Tage beeinflussen die Vogelwelt ganz wesentlich. Vögel zeigen die unterschiedlichsten Anpassungen an diese Bedingungen.
Zugvögel reagieren ganz offensichtlich damit, diesen Bedingungen auszuweichen. Insbesondere unter den Insektenfressern sind Langstreckenzieher, die viele Tausend Kilometer nach Süden ausweichen. Einige Zugvögel reagieren auch kurzfristig auf sich ändernde Wetterbedingungen und suchen erst bei einer geschlossenen Schneedecke mildere Regionen auf. Unter bestimmten Bedingungen kommt es auch zu Invasionen bestimmter Vogelarten. Bei manchen Vogelarten ziehen unterschiedliche Populationen in unterschiedliche Wintergebiete. Bei Buchfinken weichen die Weibchen oft weiter nach Südwesten aus als die Männchen, was ihnen den wissenschaftlichen Artnamen Fringilla coelebs (eheloser Fink) eingebracht hat.
Für Vögel, die den Winter hier verbringen, ist oft die notwendige erhöhte Nahrungsaufnahme die größere Herausforderung. Als gleichwarme Organismen können Vögel ihre Körpertemperatur, die übrigens meistens höher als bei Säugetieren ist, ihre Körpertemperatur damit aufrechterhalten. Einige Vogelarten stellen im Herbst und Winter ihre Nahrung um. Manche Insektenfresser nehmen nun verstärkt Sämereien und Körner zu sich (dies gilt z.B. für die Meisen, die am winterlichen Futterhaus Sonnenblumenkerne fressen). Auch Vorratshaltung betreiben einige Vögel. Bei Kälte suchen viele Vogelarten geschützte Bereiche auf, Kohlmeisen übernachten in geschützten Baumhöhlen oder Nistkästen, Zaunkönige suchen im Wintergarten zwischen den eingelagerten Topfpflanzen nach Nahrung und einige Vögel bilden Schlafgemeinschaften. Eng aneinander gekuschelt verlieren z.B. Baumläufer weniger Wärme. Während heftigen Schneefalls können sich Raufußhühner sogar einschneien lassen. Erst wenn der Schneesturm vorbei ist, kommen sie aus ihren Schneehöhlen wieder heraus.
Natürlich gibt es auch ganz charakteristische anatomische Anpassungen. Das dichte, durch Bürzeldrüsensekret imprägnierte Federkleid mit stark verästelten Daunen hält schon fast sprichwörtlich warm. Vögel plustern ihr Gefieder bei Kälte auf - die zusätzlichen Luftpolster helfen bei der Isolation. Bei den exponierten Füßen sorgt ein spezielles Wärmeaustauschprinzip dafür, dass Vögel barfuß auf dem Eis keine kalten Füße bekommen. Wir erklären hier übrigens auch, warum Vögel nicht auf kalten Metallstangen festfrieren. Raufußhühner haben Ihren Namen nicht umsonst - befiederte Zehen wärmen nicht nur, sie wirken vor allem auch als „Schneeschuhe“. Auch Raufußbussarde haben - der Name deutet es an - befiederte Tarsen. Zahlreiche Limikolenarten, Möwen und Reiher sieht man oft auf einem Bein rastend. Dies scheint Energie zu sparen, mit einem Bein körpernah im wärmenden Gefieder wird aber in jedem Fall der Wärmeverlust noch einmal reduziert.
Halten Vögel Winterschlaf? Viele Säugetiere halten Winterschlaf, Reptilien und Amphibien fallen in Kältestarre. Gibt es das auch bei Vögeln? Vögel aus unterschiedlichen verwandtschaftlichen Gruppen können sich in einen schlafähnlichen physiologischen Zustand versetzen, bei dem viele Körperfunktionen herabgesetzt sind. Man spricht in diesem Zusammenhang von „Torpor“. Meist fallen Vögel nur für wenige Stunden in Torpor - Kolibris in den Anden überstehen so die eisigen Nächte, auch Mauerseglerküken harren so bei schlechtem Wetter während kürzerer Hungerphasen aus. Torpor über einen längeren Zeitraum ist dagegen selten. Die einzige Vogelart, die eine Art Winterschlaf hält, ist die Winternachtschwalbe (Phalaenoptilus nuttallii). Diese Verwandten des Ziegenmelkers brüten im Westen Nordamerikas. Fallen die Temperaturen im Winter im Süden der USA unter 10 °C, fallen die Vögel in Torpor. An den meisten kalten Wintertagen halten sich die Vögel versteckt in Felsnischen auf. Die Körpertemperatur sinkt deutlich ab und die Sauerstoffaufnahme liegt nur noch bei rund 10 % der sonst üblichen Menge. Erste wissenschaftliche Hinweise auf dieses Verhalten gelangen im 19. und 20. Jahrhundert, aber den amerikanischen Ureinwohnern der Region, den Hopi, war das Verhalten wahrscheinlich längst bekannt - der Vogel heißt (laut wikipedia) auf Hopílavayi „hölchko“ - der „Schlafende“.
Trotz all dieser Anpassungen können kalte Winter für manche Vogelarten gefährlich sein. Nach sehr langen Frostperioden sind die meisten Gewässer zugefroren und ausgerechnet Eisvögel (der Name hat ursprünglich wohl nichts mit „Eis“ zu tun) finden nichts mehr zu fressen. Bestandsverluste werden jedoch bei günstigen Bedingungen schnell wieder ausgeglichen. Mehrfache teils verschachtelte Bruten machen dies möglich. Auch bei Arten wie dem Zaunkönig können kalte Winter zu massiven, kurzfristigen Bestandseinbrüchen führen. Von den milden Wintern der letzten Jahre profitieren dementsprechend auch manche Arten.
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